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Zeiten.Wende auf feministisch

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(li.: Foto von Roger Bradshaw auf Unsplash; re.: Pinkstinks e. V. / Collage: M. Porr)

Ihr habt noch kein Bild davon, was es mit der angekündigten Zeitenwende auf sich hat? Kein Wunder, fehlen doch (außer dem Ad-hoc-Sondervermögen für die Aufrüstung der Bundeswehr) bislang konkrete Zukunftsvisionen und -konzepte. Lasst Euch – auch über den 8. März hinaus – von einer feministischen Perspektive inspirieren!

Gleich vorweg erst einmal: Applaus den beiden zuständigen Ministerinnen und ihren Mitarbeiter#innen für die Ausarbeitung und unaufgeregt-sachliche Präsentation der Leitlinien einer neuen feministischen deutschen Außen– und Entwicklungspolitik!

Im Zuge der just vom Kanzler ausgerufenen „Zeitenwende mit Zuversicht“ drücke ich nun feste die Daumen, dass diese guten Vorbilder für das Reflektieren und Überarbeiten überholter politischer Denkmuster (wenn auch immer noch mit viel Luft nach oben) auf ihre Kolleg#innen auch in den anderen Ressorts abfärben mögen.

Denn viele alte Muster und politische Theorien haben sich als untauglich für das gesellschaftliche Zusammenleben erwiesen – ihre hartnäckigen Vertreter#innen haben unsere Gesellschaft allerdings allüberall in Sackgassen manövriert.

Alle Bereiche der staatlichen Leistungsverwaltung (Kindergärten, Schulen, öffentliche Verkehrsmittel, Energie- und Wasserversorger, Müllabfuhr und Verwaltungsbehörden wie Sozialämter, Arbeitsagenturen etc.), dazu das Gesundheitswesen, sind heruntergewirtschaftet, unterfinanziert und personell ausgelaugt. Die Warnstreikenden im öffentlichen Dienst sprechen eine klare Sprache.

Nachfolgend ein paar Beispiele für zukunftsuntaugliche Ist-Zustände – und gleich auch für feministische geschlechtergerechte Alternativen (Liste ist ungeordnet und natürlich unvollständig). Allein schon IHRE Umsetzung wird die Weichen für eine WIRKLICHE Zeitenwende stellen.

Umwelt- & Klimaschutz ->
ZUKUNFTSUNTAUGLICH: Förderschwerpunkt liegt auf der Suche nach immer neuen technischen Lösungen
ALTERNATIV (u.a.): Förderschwerpunkt auf die kontinuierlich-alltägliche Arbeit mit den Menschen legen (Sensibilisierung, Klimakommunikation, Empowerment, Training für den Alltag, Vernetzung von Expertisen und Erfahrungen)

** Wirtschaft & Finanzen ->
ZUKUNFTSUNTAUGLICH:
fortgesetzte Duldung linearwirtschaftlicher Wirtschaftsmodelle („Wegwerfwirtschaft“ ); Ausrichtung auf großindustrielle Profitmaximierungswünsche und eine sogenannte „globale Wettbewerbsfähigkeit“
ALTERNATIV (u.a.): tatkräftige Stärkung und Unterstützung der lokal-regional-national engagierten Organisationen (s. z. B. Zero Waste Germany e. V.) sowie kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), insbesondere des Sozialunternehmenstums (Social Entrepreneurship) und der Freiberufler#innen in allen Bereichen der Nachhaltigen Entwicklung, inkl. der angemessenen Würdigung und Berücksichtigung der Care- oder Sorgearbeit, des größten Bereichs der Wirtschaft

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(Quelle: Gabriele Winker / Netzwerk Care Revolution)

Gesundheit ->
ZUKUNFTSUNTAUGLICH: zunehmende Privatisierung des Gesundheitswesens, mit Krankenhäusern und ärztlichen Praxen als Spekulationsobjekten auf dem Kapitalmarkt sowie der Ausbeutung der pflegerischen und ärztlichen Arbeitskraft
ALTERNATIV (u.a.): sofortige radikale Verbesserung der pflegerischen und ärztlichen Arbeitsbedingungen; umfangreiche Förderung einer niedrigschwelligen umfassenden Grundversorgung in der Fläche (Einrichtung regionaler Gesundheitszentren; gendersensible lokale Gesundheits- und Primärversorgung / Community Health Nursing inkl. ausreichender Stellen für Hebammen und Doulas)

** Bildung & Forschung ->
ZUKUNFTSUNTAUGLICH:
Förderschwerpunkt liegt auf immer neuen Forschungsprojekten, ohne gleichwertige Finanzierung des Transfers der dort gewonnenen Erkenntnisse in die alltäglichen Bereiche des Lebenslangen Lernens; strikte Trennung zwischen Bund und Ländern sowie zwischen den Fördertöpfen verschiedenen Ministerien; Festhalten an Bildungsformen aus wilhelminischen Zeiten (s. auch die aktuellen SWK-„Empfehlungen zum Umgang mit dem akuten Lehrkräftemangel“ )
ALTERNATIV (u.a.): Einrichtung einer Stabsstelle für Zukunftsbildung, der Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE), beim Bundeskanzler#innenamt sowie Ausarbeitung eines bundesweiten BNE-Masterplans (s. Hamburger BNE-Masterplan und Entwurf für MV), inkl. der Abstimmung mit und zwischen den zuständigen Länder-Institutionen; Entlastung der schulischen Lehrkräfte, Curricula und Lehr-/Lernformen durch unterstützte und angemessen finanzierte Kooperationen mit den Bildungsanbieter#innen der non-formalen, informellen BNE

Arbeit & Soziales / Familien, Senior#innen, Frauen & Jugend (warum werden hier eigentlich immer noch Frauen gesondert aufgeführt??) / Wohnen, Stadtentwicklung & Bauwesen / Verkehr …->
ZUKUNFTSUNTAUGLICH: Festhalten an Beschäftigungsvorstellungen und -modellen sowie Entlohnungspraktiken, die z. T. schon seit langem mit den Bedarfen und Bedürfnissen der Arbeitnehmer#innen kollidieren, vor allem mit denen von Frauen (s. „Frauen und Arbeitswelt“ / BMFSF, Statistik der Bundesagentur für Arbeit)
ALTERNATIV (u.a.): Ermöglichen eigenständiger Existenzsicherung für Frauen mit wohnortnaher Infrastruktur und familien- und sorgearbeitsfreundlichen Arbeitszeitmodellen (s. auch UN Women); Stärkung der Sozialen Arbeit, insbesondere auch der Kinder- und Jugendarbeit, mit flächendeckendem Ausbau kostenfreier offener Angebote; eine geschlechtergerechte Stadtentwicklung sowie geschlechtergerechte Mobilität (s. auch der diesbezügliche Werkstattbericht Wiens)

Konfliktbearbeitung ->
ZUKUNFTSUNTAUGLICH: Aufrechterhaltung vielfältiger Diskriminierungsformen in allen gesellschaftlichen Bereichen; mangelnde Reflektion der patriarchalen bzw. androkratischen Hintergründe und Triebkräfte von politischen Entscheidungen (s. auch Interview mit der amtierenden Bundesministerin für Familie, Senior#innen, Frauen und Jugend)
ALTERNATIV (u.a.): Empowerment von Mädchen und Frauen; gleiche finanzielle Ausstattung der Strukturen feministischer Friedensarbeit wie die der militärischen Strukturen (s. auch „Feministische Perspektiven in der Friedens- und Konfliktforschung“ )