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„Regional einkaufen“ - Was heißt das in Rostock?

In der letzten BioRegionalen Tafelrunde Mitte Oktober ging es um den Begriff des „Regionalen“: Was sollte es für unsere Großküchen in Rostock bedeuten, regional einzukaufen? Ist Milch aus dem Allgäu noch regional? Oder Kartoffeln aus Stettin? Wir haben uns angesehen, wie andere „regional“ definieren, einen Vorschlag für Rostock diskutiert und einige Möglichkeiten aufgezeigt, wie bereits regional eingekauft werden kann. Simone Witzel von der Regionalbewegung MV betonte dabei: „Wir haben viele gute Erzeuger in unserer Region, aber sie setzen ihre Produkte nur wenig im Land ab.“ Daran könnte eine stärkere regionale Nachfrage etwas ändern.

Wie weit weg ist noch „regional“?

Der Ausgangspunkt für unsere Definition war eine Abfrage unter zehn Expert:innen aus Handel, Küchenbetrieb und Beratung in der BioRegionalen Tafelrunde im September 2022 („Was bedeutet für Sie regional“)? Die Antworten waren sehr unterschiedlich ausgefallen: „aus dem Umkreis von 100 km“ , „von 200 km“ , „aus dem Landkreis Rostock“, „aus dem Land Mecklenburg-Vorpommern“*, „das kommt auf das Produkt an“. Die mit Sternchen markierten Angaben traten mehrfach auf. Stefanie Maack vom BUND Rostock präsentierte einige Definitionen anderer Akteure aus der Außer-Haus-Verpflegung. Die Umkreismarke von 100 km findet sich wieder bei der Gemeinschaft verantwortungsvoller Gastronomen Green Chefs, die derzeit einige Hundert Gastronomien bundesweit umfasst. Die Stadt Kopenhagen legt einen Umkreis von 250 km zugrunde - mit dem House of Food als Praxisbegleiter hat Kopenhagen bereits vor Jahren die 1100 öffentlichen Küchen auf 90 % Bio-Anteil umgestellt. Berlin wiederum, das seit einigen Jahren den Bio-Anteil kontinuierlich ausbaut, hat eine komplexere Definition mit sogenannten Regio-Zonen formuliert: Regio-Zone 1 bezeichnet das Bundesland Brandenburg; Regio-Zone 2 nimmt alle an Brandenburg angrenzenden Landkreise hinzu, auch polnische Powiat; Regio-Zone 3 bezeichnet alle an Brandenburg angrenzenden Bundesländer inkl. polnischer Woiwodschaften.

Ein Regionalbegriff für Rostock

Für die Rostocker Gemeinschaftsverpflegung diskutierten wir dann einen aus all diesen Erkenntnissen zusammen geführten Vorschlag zur Definition der Herkunft von regionalen Lebensmitteln:

  • Die Regio-Gold-Zone bezeichnet den Landkreis Rostock
  • Die Regio-Silber-Zone bezeichnet das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern,
    einschließlich des Landkreis Rostock
  • Die Regio-Bronze-Zone bezeichnet die norddeutschen Bundesländer
    (MV, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt) und ggf. die polnischen Wojewodschaften Zachodniopomorskie (Westpommern) und Lubuskie (Lebus).

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Diese Zonen spiegeln ganz grob Entfernungen von bis zu 50-80 km (gold), 100-150 km (silber) und 300-350 km (bronze) wider. Diese Definition bietet zunächst einmal einen Orientierungsrahmen, der im Moment in der Diskussion in der Stadt noch fehlt. Sie legt auch den Weg für eine schrittweise Verbesserung dar, denn das Ziel ist natürlich eine fortschreitende Regionalisierung, d.h. immer mehr Produkte innerhalb einer der Zonen zu beziehen und den Anteil von Produkten in der silbernen und goldenen Zone zu erhöhen. Durch die Nutzung von administrativen Einheiten – im Gegensatz zu einem Umkreis beispielsweise - ist die Definition klar verständlich und relativ leicht überprüfbar. Und da die Bronze-Region relativ breit formuliert ist, können innerhalb dieser Zone bereits Lieferketten für viele Produkte abgebildet werden, auch für ökologisch produzierte Lebensmittel. Diese Definition kann also als Selbstverpflichtung sofort übernommen werden.
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Regionaler einzukaufen ist ein mehrjähriger Veränderungsprozess

„Eine Küche auf regionalen Einkauf umzustellen ist ein mehrjähriger und mehrstufiger Prozess“, sagte Dr. Sylvana Prokop von der Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung MV der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Einrichtungen müssen Zeit investieren, um Speisepläne an das saisonale Angebot anzupassen und ggf. neue oder zusätzliche Lieferanten für regionale Produkte finden. Wer sich als Küche auf den Weg machen möchte, um regionaler einzukaufen, sollte folgende Aspekte berücksichtigen:
• Der Regionalanteil wird nicht 100 % sein: Regional einzukaufen bedeutet nicht den kompletten Verzicht, sondern lediglich Vorrang von regional Verfügbarem vor Reis, Avocado und anderen Produkten, die nicht heimisch produziert werden können. Aber Regional-Anteile von 60, 80 oder gar 90 % sind durchaus praktikabel, wenn die Speisepläne entsprechend gestaltet werden.
• Regional bedeutet saisonal. Der Saisonkalender für Gemüse und Obst soll Ausgangspunkt für die Speisenplanung sein. Dies erfordert mitunter neue Rezepte und Kenntnisse im Küchenteam. Ein möglicher Saisonkalender wäre dieser. www.bzfe.de/fileadmin/resources/import/pdf/3488klzzwxh:00132017klzzwxh:0014saisonkalenderklzzwxh:0015posterseiteklzzwxh:0016online.pdf

• Das Verfügbare wird zur Planungsgrundlage: Den Speiseplan regional auszurichten bedeutet, also als erstes zu schauen, was denn wirklich wann in der Region wächst bzw. verfügbar ist. Diese Zutaten werden dann zur Grundlage der Gerichte im saisonalen Speiseplan.
• Je verarbeiteter das Produkt, desto schwieriger ist der regionale Einkauf. Ein Produkt ist nur dann regional, wenn die (Haupt-)Zutaten aus der Region stammen und es auch in der Region verarbeitet wurde. Verarbeitungsstätten für z.B. Fleischprodukte oder küchenfertiges Gemüse sind meist zentralisierte Großbetriebe, die nicht in jedem Bundesland überhaupt vorhanden sind. Es empfiehlt sich daher, beim regionalen Einkauf zunächst auf wenig und unverarbeitete Lebensmittel zu setzen, z.B. Obst, Gemüse, Getreide. Für komplex zusammen gesetzte Produkte kann eine vollständige Regionalität nicht gewährleistet werden, aber auch eine Regionalität der Hauptkomponenten ist relevant.
• Regionaler Einkauf bedeutet nicht automatisch klimaverträglich. Die für den Transport von Lebensmitteln anfallenden Emissionen spielen in der Gesamtbilanz von Lebensmitteln tendenziell eine untergeordnete Rolle. Wenn der Einkauf klimaverträglicher werden soll, muss er nicht nur regional, sondern vor allem fleischarm und ökologisch sein (mindestens EG-Bio zertifiziert).
• Regionaler Einkauf bedeutet nicht umweltverträglich. Auch in unserer Region geht konventionelle landwirtschaftliche Produktion mit dem Einsatz großer Mengen an Pestiziden und Kunstdüngern einher, die maßgeblich die Natur belasten und zum Artensterben beitragen. Nur wer regional und bio-zertifiziert einkauft, setzt Artensterben, Wasserverschmutzung und dem Verlust fruchtbarer Böden etwas entgegen.

Wo kann ich regional für eine Großküche einkaufen?

Zuguterletzt warfen wir einen Blick auf Einkaufsmöglichkeiten für regionale (& ökologische Produkte).
Terra Naturkosthandel: Ein professionalisierter Bio-Großhändler mit Vollsortiment auch für die Gastronomie ist Terra Naturkosthandel mit Sitz in Berlin und eigenem Lager in Rostock. Als „regional“ deklariert Terra Produkte, die von Berlin aus gesehen in einem Umkreis von 200 km erzeugt wurden. Der Regionalanteil bei den Gastroprodukten liegt bei Terra derzeit bei etwa 10 % und wird kontinuierlich erweitert. Lieferungen nach Rostock sind täglich möglich.
https://www.terra-natur.com/sortiment/#Gastro

Biofrisch Teschendorf: Seit über 20 Jahren baut Volker Brinkmann aus Teschendorf bei Rostock sein Erzeugernetzwerk auf, kauft aber bei Bedarf auch aus dem Bio-Großhandel zu. und bietet nicht nur Biokisten und Marktstände, sondern beliefert auch Gastronomen. Das Sortiment umfasst hochwertige, bio-zertifizierte Frischeprodukte mit hohem Anteil an Bio-Zertifikaten von Anbauverbänden, die deutlich strenger sind als das EG-Biosiegel. Lieferungen bis ca. 150 kg pro Gebinde sind kein Problem. Für die Gastronomie gibt es wöchentlich eine Bestellliste per Mail.
https://www.biofrisch-teschendorf.de/grosshandel

markt-mv.de: Eine neue Plattform für alle Geschäftskund:innen, die das einkaufen wollen, was die Region gerade bietet. Die Plattform vereint die Angebote aus drei Erzeugerregionen: MV Liebe (um Wismar), Meck-Schweizer (aus der Mecklenburger Schweiz) und Pommern Arche (aus Vorpommern). Hier finden sich sowohl bio-zertifizierte als auch nicht-zertifizierte Produkte. Erzeuger:innen stellen ihre Produkte auf der Plattform ein, Kund:innen bestellen online und bekommen die Waren mit E-Transporter geliefert – nach Rostock gibt es derzeit Lieferungen an zwei Wochentagen. Das Angebot ist im Aufbau und kann mit gestaltet werden. Wer als Kunde Waren von eine:n bestimmten Erzeuger:in erhalten möchte, kann die Plattform und die Logistik dafür nutzen.
http://markt-mv.de

Produktdatenbank der AMV: Um herauszufinden, wo in MV bestimmte Produkte von wem produziert werden, ist die online Produktdatenbank der Marketinggesellschaft der Agrar- und Ernährungswirtschaft Mecklenburg-Vorpommern e. V. (AMV) hilfreich. Hier gibt es viele Detailinformationen über einzelne Produkte - alles regional aus MV und teilweise bio-zertifiziert.
https://www.mv-ernaehrung.de/produktdatenbank.html

Nächsten Monat geht es um BIO

Mit dieser Tafelrunde konnten wir das Verständnis von Regionalem für Rostock deutlich konkretisieren. Wir freuen uns über Rückmeldungen und Fragen sowie auch Anmeldungen zur nächsten BioRegionalen Tafelrunde am 17. November 2022 von 15:30-17:30 Uhr im Ökohaus Rostock mit dem Schwerpunktthema BIO.

https://stadtgestalten.org/MehrBio/regional-einkaufen-was-heisst-das-in-rostock/

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